Die Geschichte

2016 feierte der Aachener Tierpark seinen 50. Geburtstag. Das war ein Anlass auf die lange Geschichte des Tierparks, aber auch auf dessen Ursprünge und Vorgänger zurückzublicken.

Manfred Kutsch wurde beauftragt eine Festschrift zu erstellen. Er ist seit vielen Jahren dem Aachener Tierpark persönlich und journalistisch verbunden. Als Redakteur kam er über die Stationen Hamburg und Frankfurt bei Axel Springer zurück in seine Heimatstadt Aachen und machte sich seit 1983 in der Region mit ungezählten Reportagen, Moderationen und Projektarbeiten für den Zeitungsverlag Aachen einen Namen.

Hier seine akribisch ausgearbeiteten Zeilen zur Geschichte des Aachener Tierparks:

Manfred Kutsch Autor des Berichtes über die Geschichte des Tierparks (Foto: M.Kutsch)
KARL DER GROSSE — „DIREKTOR“ DES ERSTEN TIERPARKS

Kein anderer als Karl der Große schreibt das erste Kapitel der Vorgeschichte des Aachener Tierparks. Am 20. Juli 802 trifft ein opulentes Geschenk für den Kaiser in Aachen ein. Harun al Raschid, Kalif von Bagdad, hat dem Frankenkönig einen stolzen Weißen Elefanten mit dem klangvollen Namen Abul Abaz zukommen lassen. Mohameds Nachfolger aus der Dynastie der Abbasiden erweist dem Kaiser mit dem fünf Tonnen schweren Präsent seine Gunst. Als möglicher Bündnisgenosse für den Kampf gegen das Byzantinische Reich im östlichen Mittelmeerraum hat der Kalif großes Interesse an einem guten Kontakt zu Karl.

Da von den fünfzig Elefanten Hannibals im Jahre 218 v. Chr. nur einer lebend über die Alpen kam, aber kaum registriert wurde, gilt Abul Abaz als erster Elefant, der nördlich der Alpen heimisch wurde. Begleitet wird das legendäre Tier, über das auch ein Requiem entstand, vom jüdischen Kaufmann Isaak. Der Gesandte Karls des Großen leitete das indische Rüsseltier zur Freude der ganzen Kaiserstadt nach Aachen, dort trifft Abul auf weitere tierische Gesellschaft.

Denn ebenfalls aus Ergebenheit erreichen den Kaiser auch andere lebendige Geschenke — so etwa Löwen, Bären und Kamele des Emirs von Kairo. Der karolingische Hofzoo ist gut ausgestattet. Derweil muss der Weiße Elefant auch repräsentativen Aufgaben nachgehen. Es wird berichtet, dass Abul auf Karls Reisen als imposante Indignie seiner Majestät mitgeführt wird. Man könnte fast von einem kaiserlichen Wanderzoo sprechen — als Stationen sind in den Reichsannalen unter anderem Speyer, Straßburg, Verdun, Augsburg und Paderborn genannt. Spätestens im Herbst eines jeden Jahres jedoch darf Abul zurück ins Aachener Winterquartier, das aus einem stattlichen Stall in der Nähe der Kaiserpfalz bestand.

Die Todesumstände des 810 gestorbenen Elefanten blieben ungeklärt. Die „Reichsannalen“ berichten lediglich davon, dass das legendäre Tier in Lippeham, dem heutigen Bislich, einem Ortsteil von Wesel, verendet sei. Gebeine werden dort trotz späterer Suche jedoch nie gefunden. Andere behaupten, Abul Abaz sei beim Übergang über den Rhein ertrunken. Weitere Berichte gibt es über eine tödliche Rheumaerkrankung bzw. auch Lungenentzündung des Dickhäuters. Sein Schicksal bleibt letztlich ungeklärt. Auch über das Ende des kaiserlichen Zoos ist so gut wie nichts bekannt, Es sollte mehr als eintausend Jahre dauern, bis Aachen das nächste, das zweite Kapitel zur Einrichtung eines Tierparks aufschlägt.

ÜBER 1000 JAHRE SPÄTER EIN NEUER ANLAUF

1882 öffnet auf dem Areal des heutigen Westparks der knapp sechs Hektar große „Zoologische Garten für Aachen und Burtscheid“ — etwa zwei Drittel der Größe des heutigen Tierparks auf Drimborn. Die betriebsführende Aktiengesellschaft übertrug in ihren Statuten dem Park folgende Aufgaben: „Die Kenntnis der Naturwissenschaften, insbesondere der Tier- und Pflanzenkunde zu befördern. Die Vogel- und Geflügelzucht zu verbreiten sowie einen zur Abhaltung von Festen, Versammlungen und Ausstellungen verschiedenster Art geeigneten Erholungsort zu schaffen. „

In einer Versammlung am 14. Februar 1882 im Wiertz-Bierlokal in der Jakobstraße erhält das Gelände „Kirschenbenden“ an der Junkerstraße den Zuschlag — und setzt sich damit unter anderem gegen die ebenfalls in Betracht gezogenen Standorte Hanbrucher Weg und Burg Frankenberg durch. Das Areal erscheint ideal — nach Norden und Osten geschützt und gut erreichbar. Zudem kann eine alte städtische Leitung, die durch das Gelände führt, mit Hilfe des Textilunternehmers Emil Lochner für Wasser sorgen: Der Fabrikant überlässt es dem Zoo unentgeltlich aus seinen Teichen an der Junkersmühle.

315.000 Mark müssen für Kauf und Ausstattung aufgebracht werden, davon 240.000 Mark durch Zeichnung von Aktien. Fünf Jahre später, 1887, bewilligt die Stadt Aachen aus der „Armen-Verwaltung“ ein zusätzliches Darlehen von 120.000 Mark als Hypothek auf das Gelände — sie sollte das Geld nie in Gänze zurück erhalten. Die Trägerschaft des Zoos war auf den Hamburger Zoohändler Heinrich Möller übergegangen, der sich in seinen Briefen „Direktor und Inhaber“ nennt. Mit Elefanten, Bären, Dromedaren, Löwen, Zebras bis zu Antilopen siedelt Möller ein beachtliches Spektrum an attraktiven Tierarten im Aachener Westen am.

Einen Coup landet der umtriebige Direktor 1889, als er fünfzig Riesenschlangen mit einer Länge von mehr als zehn Metern anschafft und sie in bereitstehenden Grotten am Restaurationsgebäude unterbringt.

Ungeachtet derart publikumswirksamer Tierausstattung sind die Gehege aus heutiger Sicht viel zu eng und mit Umzäunungen versehen, die eher an Gefangenenkerker erinnern. Doch Emil Lochner, Initiator aus der Bürgerschaft, Unternehmer und Gönner, legt ohnehin viel mehr Wert auf Wirtschaftlichkeit. Die ergibt sich auch aus dem Umfeld des Tierparks, wo die 1917 abgebrannte Glashalle des Zoologischen Gartens großzügigen Raum für repräsentative Veranstaltungen bietet. Zudem wird in direkter Anbindung auch eine Radrennbahn betrieben.

Doch alle wirtschaftlichen Ergänzungen und zusätzlichen Einnahmequellen helfen am Ende nichts. Der Zoo und seine Randanlagen rechnen sich nicht, man hatte die Futter- und Pflegekosten schlicht unterschätzt. Der Park hätte weiterer, kräftiger Unterstützung der Kommune bedurft. Am 1. Dezember 1905 schließt die Anlage nach 23 Jahren.

BOMBENANGRIFF BEENDET DRITTES ZOOKAPITEL

Als man 30 Jahre später auf dem Weiher des Westparks wieder Kahn fahren kann, entsteht im Umfeld ein neuer, nächster Versuch zur dauerhaften Einrichtung eines Zoos in Aachen. Der „Tier- und Pflanzgarten Aachen e.V.“ siedelt 1935 in erster Linie heimische Tierarten an, kann sich aber durch die Kriegszeit nie wirklich entwickeln. Ein Bombenangriff am 25. Mai 1944 beendet schließlich das dritte Kapitel Aachener Zoogeschichte jäh. Ein Großteil der Tiere kommt zu Tode, der überlebende Restbestand wird nach Ulm verkauft.

DER VIERTE ANLAUF IM EINSTIGEN DRIMBORNER „LUSTWÄLDCHEN“

Diesmal soll es nur acht Jahre dauern, bis die ersten Aktivitäten für einen neuen, vierten Tierpark in Aachen bekannt werden. Dafür sorgt 1952 eine Bürgerinitiative aus dem Ornithologischen Verein Aachen unter Leitung dessen Gründers Hans Limberg. Auf Anregung des Verlegers wird beschlossen, je zwei Mark des Mitgliedsbeitrages der Vogelkundler zum Aufbau eines Tierparks abzuzweigen. Es beginnt die lange Suche der Bürger nach einem geeigneten Gelände, denn der Westpark kommt nicht mehr in Frage. Ins Visier rückt das geschichtsträchtige Drimborner Wäldchen, wo im 15. Jahrhundert eine Kupferschmelze und später eine Blau- und Schönfärberei angesiedelt ist. Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Wäldchen von seinem Besitzer Hermann Isaac von Außem in ein „Drimborner Lustwäldchen“ nach Art des Englischen Gartens umgestaltet. Der Wildwuchs des Parks am Beverbach, wo noch 1904 Einsiedler lebten, zieht die Menschen an. Unter anderem auch mit seinem Gartentempel, einer Klause und einem Sarkophag, der noch heute im Tierpark zu finden ist.

Mitte der 50er Jahre plant die Stadt Aachen, in deren Besitz das Wäldchen übergegangen ist, dort die Ansiedlung von Schrebergärten. Aber die Freunde eines neuen Tierparks sind jetzt nicht mehr aufzuhalten. Unter Vorsitz des Hauptlehrers Wilhelm Coenen installieren sie im Juni 1960 einen Bürgerausschuss zur Schaffung von Freigehegen. Dem folgt wenige Monate später, am 8. Dezember 1960, die Gründung des Vereins Aachener Tierparkfreunde e.V., dem Coenen ebenfalls vorsteht. Als Stellvertreter fungiert der passionierte Förderer Hans Limberg.

Die „Aachener Volkszeitung“ berichtet von der Zusammenkunft im inzwischen entstandenen Ausflugslokal „Drimborner Wäldchen“: „Mit kurzen Begrüßungsworten eröffnete Hauptlehrer Coenen die Versammlung und erwähnte vor allem, dass sich unter den Erschienenen auch der letzte Pfleger des früheren Zoos im Westpark, Besselman, befände. „Der Bericht macht Hoffnung auf einen neuen Zoo, „zumal ein gewisser Tierbestand bereits im Privatbesitz vorhanden“ sei. Die AVZ nennt beispielhaft, Kamerunschafe, afrikanische Zwergziegen, Nilgänse, Fasanen“. Insgesamt 50 bis 70 Tiere.

Kulturausschuss und Stadtverwaltung werden von den Bürgern mobilisiert — doch beim damaligen Oberstadtdirektor Anton Kurze stoßen die Pläne wegen der drohenden Kosten für die Stadtkasse auf wenig Gegenliebe. Es soll rund drei Jahre dauern, bis das Tauziehen um das begehrte Areal auf Drimborn beendet — und die Stadt Aachen zumindest pädagogisch von der „Bedeutung lebender Anschauungsobjekte für den Schulunterricht“ (Coenen) überzeugt ist.

Gerade einmal drei Morgen Land, nicht einmal ein Zehntel der heutigen Fläche, überlässt die Kommune 1963 dem Zoo auf Drimborn, wo der Verein der Tierparkfreunde im Juli 1964 mit dem Anlegen von Wegen und Gehegen beginnt. „Der Tierpark nimmt Gestalt an“, titelt die Aachener Volkszeitung (AVZ). Und verweist auf das finanzielle Abenteuer: „Das Projekt muss ausschließlich aus den Beiträgen und Spenden des Vereins der Tierparkfreunde e.V., der als gemeinnützig anerkannt ist, realisiert werden. “ Immerhin, so die Zeitung, „werden die Erdarbeiten von zwei Aachener Gartenhäusern kostenlos durchgeführt“. Andere Firmen und Privatpersonen helfen ebenfalls mit Geld, Sachspenden und unbezahlter freiwilliger Mitarbeit. Auch das Stadtgartenamt engagierte sich und gestaltete das Gelände mit Hecken, Sträuchern und Jungbäumen.

DIE ERÖFFNUNG DES HEUTIGEN EUREGIOZOO

Die Eröffnung des Tierparks erfolgt schließlich am 22. Oktober 1966, zeitgleich zu markanten Ereignissen in Aachen und Deutschland: An der RWTH gründet sich die Medizinische Fakultät, die ersten Baupläne für das Universitätsklinikum kommen auf den Tisch. Die Fußballnation trägt zu diesem Zeitpunkt nach der legendären 2:4 WM-Niederlage gegen England in Wembley noch Trauer. Politisch sollten wenige Wochen später Bundeskanzler Ludwig Erhard zurücktreten und Kurt Georg Kiesinger die Große Koalition übernehmen.

Derweil liegt Aachen im Eröffnungsfieber des Tierparks. „Paradies im Grünen steht nun allen offen“, jubelt die AVZ in ihrer Schlagzeile. Viel lokale Prominenz ist dabei, als Wilhelm Coenen für den Verein der Tierparkfreunde, der Träger des Zoos wurde, die Ziele der neuen Einrichtung markiert: „Der Tierpark soll dazu verhelfen, vor allem der Schuljugend die Tierwelt näher zu bringen, die einzelnen heimischen und fremdländischen Gattungen in ihrer Lebensweise und Eigenart kennen zu lernen“, sagt er gegenüber AVZ-Mitarbeiter Hanns Mänhardt, zu jenen Zeiten ein bekannter Aachener Kultur- und Gesellschaftsjournalist. Besonderen Dank richtet Coenen, dem im Gründungsjahr für die Tierparkfreunde ein Lotterie-Gewinn von 41.500 Mark zur Verfügung steht, an die Adresse des Architekten von den Driesch, „der kostenlos die Pläne entworfen hatte“.

Die AVZ resümiert begeistert: „Ja, hier ist ein Schmuckkästchen im Grünen, ein kleines Tierparadies entstanden, das der Bevölkerung künftig sicherlich noch viel Freude bereiten kann. “ Hanns Mänhardt in seiner Reportage weiter: „In den Gehegen fühlen sich die Tiere sehr wohl und haben genügend Auslauf. Die Affen versuchten an diesem Vormittag bereits, mit ihren Späßen Zuschauer für sich zu gewinnen. Sehr reich ist der Bestand an verschiedenen Vogelarten in den Volieren und am sogenannten Ententeich. Beim Pony-Reitplatz ist vor allem an die Kinder gedacht. Zur Eröffnung tummeln sich auf etwa 0,75 Hektar Land unter anderem Kapuzineraffen, ein Zebu, Ziegen, Schafe, Esel, Damhirsche und Meerschweinchen sowie heimische wie fremde Vögel, unter anderem Fasanen, Enten, Gänse, Hühner, Tauben, Wellensittiche und ein Kronen-Kranich. Das Personal besteht aus einem Tierpfleger und einem Rentner an der Kasse, als Geschäftsführender Vorsitzender agiert bis 1975 nebenberuflich Hans Limberg. Der Eintrittspreis beläuft sich zum Start des Zoos auf eine Mark für Erwachsene und 50 Pfennig für Kinder, Schüler und Studenten.

FRANZ STETTNER UND DIE AUFBAUJAHRE

Dem Enthusiasmus für den Tierpark stehen die damals finanziell und strukturell widrigen Bedingungen nicht im Wege. Binnen kurzer Zeit wächst der Tierbestand auf 351 Tiere aus 113 Arten und Rassen. Bereits im ersten Jahr verzeichnet der kleine Zoo 64.000 und nach drei Jahren gar über 100.000 Besucher. 1967 übernimmt der Fabrikant Hans Georg Monheim den Vorsitz des Vereins der Tierparkfreunde, der die Zukunft des Zoos als nicht gesichert sieht. Deshalb überträgt der Verein die Trägerschaft auf eine im März 1970 gegründete Aktiengesellschaft, die den Kontakt und die Einbindung der Stadtverwaltung und des Stadtrates intensivieren und verankern sollte. Ein guter Schachzug, zumal der Verein seine Bedeutung nicht aufgibt. Schließlich fallen ihm 90 Prozent der Aktien zu.

Der zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates auserwählte Top-Kandidat soll die gewünschte Verzahnung mit der Stadt Aachen garantieren: Franz Stettner, damals Bürgermeister und Landtagsabgeordneter der Kaiserstadt. Sein Einfluss macht sich schnell bemerkbar: Schon im September 1971 bewilligt die Stadt ein Erweiterungsgelände für den Tierpark, das einen Zuwachs von zwei Drittel seiner Fläche bedeutet. Doch immer mehr geraten die Macher auf Drimborn auch an ihre Grenzen: Kaum ein Quadratmeter des Geländes ist ebenerdig, nur ein winziger Teil kanalisierbar, große Flächen sind sumpfig. Zudem reagieren manche Nachbarn sehr empfindlich.

Immerhin bezahlt die Stadt Aachen mit einer ersten öffentlichen Finanzspritze die Asphaltierung der Wege — wohlwollend initiiert vom damaligen Stadtdirektor Manfred Fuchs, der später auch als langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender des Tierparks einer der engsten Freunde des Zoos wird.

Doch den größten Schub in der Entwicklung des Tierparks hat in den 70er Jahren die private Spende der Unternehmerwitwe Josefine Kaufmann zur Folge — 100.000 Mark überlässt sie aus ihrem Erbe dem Tierpark. Die Verwendung des Geldes überträgt sie Franz Stettner persönlich. Der schafft davon eine Kamelanlage an, die mit dem Abbruchschutt der „Roten Kaserne“ gebaut wird. Ferner können die ungepflegten Wiesen der Zebras und Lamas eingezäunt werden, zudem entsteht ein neuer, 3000 Meter langer Rundweg.

1977 übernimmt Franz Stettner gemeinsam mit Hannelore Hambach neben seinem Beruf als städtischer Beigeordneter die Leitung des Tierparks. Zuvor hat er den Vorsitz im Aufsichtsrat zugunsten von Oberbürgermeister Kurt Malangré frei gemacht. Von 1982 bis 1988 bleibt Stettner nebenberuflich alleiniger Tierparkleiter, erst dann bekommt er mit dem Tierarzt Dr. Heinz Thissen wieder Unterstützung im Vorstand. Inzwischen ist Franz Stettner in Folge gesundheitlicher Probleme als Beigeordneter vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden. Auf Empfehlung der Ärzte behält er aber die Federführung im Tierpark bei.

Und das sollte sich bewähren! Unter seiner Leitung expandiert die Anlage auf die heutige Größe von 8,9 Hektar. Franz Stettner treibt vor allem sein Engagement für Kinder und behinderte Menschen voran, auf seine Initiative werden die Zooschule und 1980 der erste Kinderbauernhof gegründet. Zwei Jahre zuvor ist das Wirtschaftsgebäude fertig geworden, wo erstmals unter zumutbaren Bedingungen Futter gelagert und zubereitet werden kann. Zu Stettners Großmaßnahmen gehört auch die Schaffung des 5.000 Quadratmeter großen Afrika-Geheges im Jahre 1990.

Der umtriebige Macher führt die Patenschaften für Zootiere ein und finanziert damit die jährlichen Haltungskosten für ein ausgewähltes Tier — bis heute eine sprudelnde Einnahmequelle des Zoos. Daneben ist es Franz Stettner ein Anliegen, Plastiken und Gemälde Aachener Kunstschaffender für den Tierpark zu erwerben, die man heute noch an verschiedenen Stellen sehen kann. Auch offizielles Lob lässt nicht mehr lange auf sich warten: 1990 zeichnet die Stadt Aachen den Tierpark mit dem Prädikat „kinderfreundlich“ aus, 1992 folgte eine förmliche Belobigung des kleinen Zoos durch das NRW-Ministerium für Stadtentwicklung.

Während Stettners Amtszeit bis 1999 hat sich der Bestand auf 1.161 Tiere aus 204 Arten bzw. Rassen erhöht. Eine geplante Erweiterung des Tierparks hinein in den öffentlichen Park des Drimborner Wäldchen scheitert am Widerstand von Anwohnern. Die Zahl der Mitarbeiter im Tierpark ist derweil auf zwanzig gestiegen — die der Besucher auf über 200.000. Damit legt der hochverdiente Gründervater das Fundament, auf das der erfolgreiche Weg zu einem international anerkannten Zoo auf Drimborn im neuen Jahrhundert aufbauen kann.

Franz Stettner stirbt am 19. Mai 2012 im Alter von 80 Jahren an den Folgen einer schweren Erkrankung.

UNAUFHALTSAME ENTWICKLUNG

Im Jahr 2000 rückt mit Stettners Stellvertreter Wolfram Graf-Rudolf ein gelernter Tierpfleger an die Spitze des Euregiozoo. Die Personalie basiert insbesondere auf der hohen praktischen Kompetenz.

Seine zoologischen Ziele: Schaffung moderner, großer und artgerechter Gehege in enger Verbindung zur Natur sowie die Steigerung der Besucherzahl, die im Jahr 1999 bei genau 201.845 liegen.

Schnell wird deutlich, dass der neue Mann und Vater von zwei Söhnen nicht nur über untrügliches Gespür für Tiere verfügt, sondern auch für die Bedürfnisse der Kinder. Die Erweiterung, Umgestaltung und zum Teil Neuanlage der Spielplätze unter anderem mit einem Helgoländer Fischkutter namens „Lennet Kann“ ist die erste Maßnahme, mit der Graf-Rudolf für neuen Publikumsschub sorgt. Zur selben Zeit sollte seine Anschaffung von schottischen Moorhühnern erstmals für bundesweite Schlagzeilen des Aachener Tierparks sorgen — boomt doch im Jahr 2000 das kultige Moorhuhn-Computerspiel, an das sich das Aachener Gehege anlehnt. Parallel dazu entstehen ein bevölkertes Bienenhaus und eine Freianlage für Landschildkröten.

Das Angebot an neuen Tierarten und Gehegen wächst in den ersten zwei Jahren unter neuer Führung stetig: Unter anderem Servale, Waschbären, Erdmännchen, Zebra-Mangusten und vor allem die Pinguine setzen in ihren großen Arealen mit Wasserläufen, Höhlen, Bäumen und Felsgesteinen neue Akzente — auch landschaftsgärtnerisch.

Der Brillenpinguin macht im Übrigen in Aachen Karriere und wird zum Motiv des neuen Tierparklogos. Besonders die Kinder freuen sich über die ebenfalls neuen Totenkopfäffchen, weil sie die putzigen Zweibeiner aus Pippi Langstrumpfs Abenteuern mit „Herrn Nilsson“ kannten.

2002 tritt der Aachener Tierpark der Stiftung Artenschutz“ bei, deren Ziel es ist, das Leben bedrohter und seltener Tierarten zu sichern. Ferner wird der Tierpark durch die Mitgliedschaft im Verbund der NRW-Partnerzoos gestärkt. Gleichzeitig ist die Zahl der Besucher in demselben Jahr mit genau 254.930 Gästen auf einen ersten Rekordwert angestiegen — ein Plus von mehr als 50.000 binnen drei Jahren. So passt es gut ins Bild, dass der Tierpark 15 neue touristische Wegweiser mit dem Pinguin-Logo aufstellen kann.

Auch die qualitative Entwicklung des Tierparkes nimmt Tempo auf: Ein neues Wegesystem um den Stausee herum ermöglicht eine neue Heimat für Kasuare, Kängurus, Präriehunde, Baumstachler

und Stinktiere. 2004 erzeugt die neue, bewaldete und im Hang liegende Freianlage für Luchse große Aufmerksamkeit. Letzteres gilt auch für die acht neuen, putzigen Nasenbären mit ihrer rüsselartig verlängerten Schnauze.

Enge Anbindung an die Natur und artgerechte Haltung in Aachen sprechen sich auch in einer zookritischen Organisation wie Greenpeace herum. Das Magazin der Umweltschützer wählt den Tierpark in Aachen bereits 2004 zu den 22 besten Zoos in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Moderne Tierhaltung werde „konsequent umgesetzt“, so Greenpeace-Redakteur Wolfgang Hassenstein: „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Aachener Tierpark sehr gut geführt wird.“

Mit dem zweijährigen Neubau des Kinderbauernhofes führt der Tierpark ab 16, Juni 2006 am neuen Standort des früheren Mühlenteiches sein einmaliges pädagogisches Konzept fort. Auch hier wird der Tierbestand erweitert. Gleichzeitig kann mit Hilfe der Stawag und Unterstützung der Bundesstiftung

Umweltschutz ein Energiepark geschaffen werden. An mehreren Beispielen wird in Partnerschaft mit dem der STAWAG quer durch den Tierpark die Gewinnung und Nutzung umweltschonender erneuerbarer Energiequellen gezeigt und erläutert.

Kurz zuvor, am 24. April 2006, stirbt ein besonders engagierter Initiator des neuen Kinderbauernhofes auf tragische Weise: Hanns Bittmann, Vorsitzender des Vereins der Tierparkfreunde und Mitglied des Aufsichtsrates, verunglückt mit seiner Frau Nele bei einem Verkehrsunfall tödlich. Ein jäher Bruch der Aufbruchstimmung im Tierpark. Der Schock wirkt nachhaltig.

Mit der neuen Reitbahn wird das Projekt Kinderbauernhof 2007 vollendet. Gleich in der Startphase sind Interesse und Andrang groß. Die beiden Tierpark- Pädagoginnen Elke Bank-Fischer und Evelyn Sonnek betreuen im Erstjahr bereits 215 Bauernhofkinder bei 2794 Besuchen. Kurzaktionen an Wochenenden und in den Ferien locken allein zu Ostern und im Sommer 2055 Kinder

50 Jahre Aachener Tierpark – viele von den Mädchen und Jungen pflegen die knapp 150 Tiere, darunter Nage- und Geflügeltiere in zwölf Arten, Schafe, Hängebauchschweine und Königspythons. Sieben Ponys stehen auf der neuen Reitbahn in Zusammenarbeit mit dem Lohner Hof auch für therapeutisches Reiten zur Verfügung.

Es dauert nicht lange, dass die nächste Wertschätzung der Fachwelt dem Euregiozoo deutlich signalisiert, dass er bundesweit respektiert und geachtet wird: Der Aachener Tierpark wird im Juni 2007 in den Verband deutscher Zoodirektoren aufgenommen.

Derweil gehen auch die Arbeiten hinter den Kulissen der Tierwelt weiter. Wirtschaftshof und Futterküche mit begehbarer Kühlkammer werden 2008 neu gestaltet, der Personalraum modernisiert und vergrößert. Die Freude darüber wird aber im Dezember des Jahres durch den Überfall eines Fuchses auf die Pinguinanlage getrübt. Das Raubtier tötet 13 Tiere, darunter den alten, einäugigen „Captain Hook“.

Die konsequente Weiterentwicklung des Tierparks schreitet 2009 voran: Eine großzügige und begehbare Anlage für Wellensittiche sowie das neue Gehege für Lisztäffchen und die offene Freianlage für die Flamingos und Störche unterstreichen Graf-Rudolfs Anspruch, ausschließlich auf artgerechte und natürlich wirkende Tierareale zu setzen. Im Kinderbauernhof bewährt sich derweil die neue Brutmaschine — sie erreicht ein respektables Ergebnis: Von 656 eingelegten Eiern schlüpfen 460 Küken.

Nachdem die Zahl der Besucher auf 347.570 geklettert ist, resümiert Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Manfred Fuchs zehn Jahre nach Amtsantritt von Wolfram Graf-Rudolf in seinem Jahresbericht: „In dieser Zeit hat sich der Park hervorragend weiterentwickelt. Mehr denn je ist der Aachener Tierpark eine feste Größe im Kultur- und Freizeitleben unserer Stadt.“

In den folgenden Jahren verdichtet sich das Gesamtbild des Tierparks Stück für Stück, auf wenigen Metern eröffnen sich immer wieder neue Perspektiven und Begegnungen mit Tieren. Allein in 2010 entstehen weitere sechs neue Gehege und Volieren bzw. Anlagen, darunter für die Totenkopfaffen, Mähnenwölfe und Eulen. Im Jahr darauf folgen weitere Neueröffnungen unter anderem für die Murmeltiere in Alpenidylle, die Stachelschweine und Emus. Gleichzeitig wird die neue Werkstatt fertig und das Pinguinbecken saniert. Die Zäune im weiten Rund werden mit vier Kilometer Kastanienholz erneuert.

Und die Massen strömen: Mit 382.139 Gästen wird 2011 ein neuer Besucherrekord geschrieben — ein Plus von knapp 35.00 Gästen im Vergleich zum letzten Rekordjahr 2009. Die Patenschaften für 335 Tiere erbringen stolze 35.711 Euro. In Zusammenarbeit mit der ASEAG wird fortan ein preiswertes „Pinguin-Ticket“ angeboten. Unstimmigkeiten mit Anwohnern wegen des begrenzten Parkangebotes konnten beigelegt werden, auch mit Hilfe neuer Halteverbotsschilder, zusätzlicher Parkplätze auf der Adenauer Allee und der Verkehrswacht an sonnigen Haupttagen.

Rund um den Kinderbauernhof betreuen die beiden in der deutschen Zoolandschaft einmaligen Pädagoginnen ungezählte Aktivitäten, darunter das Karnevalsreiten, die „Traumnacht“ mit behinderten Menschen, das Sommerfest, sie machen beim WDR-Lichterfest mit und initiieren Ferienaktionen mit Ponykursen, Tierpflege, Fütterungsarbeiten nebst Quiz und Malwettbewerb.

2012 ziehen die Geparden und Kapuzineraffen in den Tierpark ein und tummeln sich in geräumigen Freigehegen, das der Raubkatzen weist auf einem hügeligen Gelände mit einer afrikanischen Bambushütte 2500 Quadratmeter aus. Drei Jahre später erhält sie mit dem „Biber“ den Preis des Berufsverbandes der Deutschen Zootierpfleger — eine Art „Oskar“ der Branche. Auch der Abschluss des 18 Monate währenden Umbau des Affenhauses sowie die Abrisse unter anderem des alten Spielplatzes und des Vogelhauses geben dem Tierpark ein neues Gesicht. Dafür sorgt auch die Entfernung des alten Fischkutters, wo ein neuer Spielplatz nebst Kiosk entsteht. Im folgenden Jahr entsteht ein neues Blockhaus für Kindergeburtstage, der alte Kinderbauernhof wird zugunsten der Erweiterung der Känguru-Anlage abgerissen.

Beachtliche Zuchterfolge lösen große Freude aus. Gleich zehn Jungtiere bringen die beiden weiblichen Servale in ihrer 700 Quadratmeter großen Freianlage zur Welt, weiterhin können sich über beachtlichen Nachwuchs freuen: Die Weißbüschel- und Zwergseidenäffchen, die Kapuzineraffen, Pinguine, Ottern, Zwergesel, Hochlandrinder, Quessantschafe, Ziegen, Störche, Säbelschnäbler und Perlhühner.

Derweil sind rund um den 50. Geburtstag des Tierparks 2016 drei neue Gehege entstanden, die mit ihrem speziellen Flair für exotischen Zauber sorgen: Allen voran die Kamelanlage mit ihrer Karawanserei versetzt den Besucher atmosphärisch nach Persien. Eine besondere Aura strahlen auch die moderne, begehbare Sittichanlage sowie das verwunschene und facettenreich begrünte Nasenbärengehege aus.

Karl der Große
Karl der Große (Foto:Pixabay)
Von unbekannt - Sammlung Franz Erb, PD-alt-100, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=10512252
Von unbekannt – Sammlung Franz Erb, PD-alt-100
Von Autor/-in unbekannt – Privatarchiv Familie Lochner Aachen/Münster, Gemeinfrei,
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1963_02_02_AZ_Archiv_H_Limberg_Archiv_Hans_Limberg
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1966_10_24_AZ_(2)_Archiv_H_Limberg_Archiv_Hans_Limberg
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2000_03_16_grenzecho_seite_24
Hanns und Nele Bittmann Aachener Zeitung 26.3.2006
Gepard im Aachener Tierpark/Euregiozoo (Foto von Ilona Krijgsman)
Gepard im Aachener Tierpark/Euregiozoo (Foto von Ilona Krijgsman)
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